1816 – 1872
Hab ich geliebt? Hab ich das
Glück empfunden,
Das wie ein Märchen durch den
Sinn mir schwebt?
Hat Herz am Herzen glühend
heiß gebebt,
In süßem Kuß sich Mund dem
Mund verbunden?
Kaum weiß ich’s mehr! die
Wonne jener Stunden –
Wie die Rakete sich gen Himmel
hebt,
Einmal nur flammt, dann sich
in Nacht begräbt,
So ist auch sie begraben und
verschwunden.
Und dennoch, horch! was
flüstert mir im Herzen
Von der entschwundnen, selig
süßen Pein,
Von meinem Glück, dem meinen
und dem ihren?
Ach! meine Lust ahn ich aus
meinen Schmerzen!
So ganz verarmt, so elend ganz
zu sein,
Mußt’ ich unsäglich großes
Glück verlieren.
1816 – 1872
I.
Von prächt’gen Stästen geht
verjährte Kunde,
Die einst die Wellen über
Nacht verschlangwen;
Die Gassen sieht man noch, die
breiten, langen,
Sieht Schloß und Tempel
schimmern aus dem Grunde.
Auch war’s dem Schiffer oft in
nächt’ger Stunde,
Als ob die Glocken aus der
Tiefe klangen,
Als ob melodisch ferne Stimmen
sangen
Geheime Lieder aus geheimem
Munde.
Ach, Glück und Liebe sind die
Herrlichkeiten,
Mein Herz das Meer, darin sie
untergingen,
Kein Taucher bringt, was dort
versank, mir wieder.
Ich träum’ und singe von
vergang’nen Zeiten,
Der Schiffer weiß nicht, was
die Glocken klingen,
Und Niemand, ach! verstehet
meine Lieder.
II.
Papyrusrollen, Schriften alter
Zeiten,
Hat man gegraben aus Pompeji’s
Grund,
Von Purpur einst und blankem
Golde bunt,
Jetzt aschenfarb, mühselig
auszubreiten.
Vergebens netzt man die
erlosch’nen Seiten,
Mit Kunst zu lösen ihren
todten Mund;
Sie bleiben stumm, kein
Zeugniß wird uns kund
Von jener Vorzeit stolzen Herrlichkeiten.
Ein Blatt nur mein! ein
einziges, zerknittert,
Unscheinbar, gelb, ein
schlechtes Blatt Papier;
Sie aber hat, sie selbst, es
mir geschrieben!
Und wenn auf’s Blatt die
Thräne niederzittert,
Wird lesbar wieder jede Silbe
mir
Und wieder blüht mein Glück
mir und ihr Lieben.
III.
Ob ich dir zürne? – Zürnt man
auch dem Mai,
Dem köstlichen, da alle
Quellen sprangen,
Aus jedem Laub die muntern
Vcögel sangen,
Daß er uns, ach! zu schnell
entschwunden sei?
So warst auch du, so hell und
wolkenfrei,
In deiner Schönheit
maienhaften Prangen
An meinem Himmel einst mir
aufgegangen;
Wie zürnt’ ich jetzt? Der
Frühling ist vorbei.
Und wie der Hirt, wenn
Winterstürme wüthen,
Sich Lieder reimt von der
vergang’nen Lust
Und fröhlich hofft auf neue
Blüthenzeiten:
So will auch ich das
Angedenken hüten
An jenen Frühling in getreuer
Brust: -
Nur hoffen kann ich freilich
keinen zweiten.
1816 – 1872
Du sprichst so
gern von deiner Kindheit Tagen,
Von fernen Zeiten,
von entleg’nem Land,
Eh’ dich mein
Auge, dich mein Herz gekannt –
Ich hör es stumm
mit innerlichem Zagen.
Was war ich
damals? Herz, ich kann’s nicht sagen!
Was wär’ ich
jetzt, aus deinem Blick verbannt?
Ein kranker Baum
in winterlichem Land,
Der Blätter nie,
noch Früchte würde tragen.
Laß einen Schleier
jene Zeit bedecken!
Sei stumm sogar
und sieh’ mich einzig an,
Und lass’ von
Blicken schwelgerisch mich zehren.
Denn hör’ ich
dich, fühl’ ich mein Herz erschrecken,
Als ob ein Tag
noch einmal kommen kann,
Wo wir, wie
eh’mals, wieder fremd uns wären.
1816 – 1872
Zur Ruh’,
verjährter Schmerz! was willst du noch?
Was aus des Grabes
Frieden stört dich auf?
Du schleichst so
still, wie Nebel steigt’s herauf
Und wie von Geisterhänden
mahnt’s: poch poch!
Was willst du
heut? Dacht’ ich seit Langem doch,
Du wärst versenkt,
wie tief! Ein Kreuz darauf
Und frische Rosen
auf den goldnen Knauf –
Ich kenn’ ja doch
den Wurm, der drüber kroch!
Es ist nicht
leicht, mit Wangen frisch und roth
Ein wundes Herz in
stillem Busen tragen,
Und halb zu leben
mehr als ganzer Tod.
Und doch, was
thuts? Es ist so Menschenloos
Und endlich winkt
ja doch nach Sturm und Plagen
Der süße Schlummer
in der Erde Schooß.
1816 – 1872
1.
Genuß, so klagen
sie, ist die Parole
Der Zeit, die
nicht mehr lieben kann, noch hassen;
Von allen Göttern
lange schon verlassen,
Erhob sie en Genuß
sich zum Idole.
Ja, thät sie’s
nur! Für Scapulier und Stole
Mag der Entbehrung
herbe Lehre passen;
Genießen soll der
Mensch – so möcht ich’s fassen –
Doch nie genieß’
er sich allein zum Wohle!
Gleichwie der
Sonne goldne Strahlen fließen,
Sich selbst zur
Lust, der Erde zum Entzücken,
So sei der Mensch,
um menschlich zu genießen.
Die jungen Rosen
schau’, wie sie sich schmücken!
Aus dem Genuß soll
andrer Wohlfahrt sprießen;
Daß du beglückt
dich fühlest, lern’ beglücken!
2.
Wir leben im
Zeitalter des Realen,
Das, sagt ihr, muß
für manches uns entschäd’gen;
Es will die Welt
auf einmal sich entled’gen
Von allen
unfruchtbaren Idealen.
Nicht länger woll’n
wir mit Phantomen prahlen;
Wir sind der
Götter müd’, davon sie pred’gen,
Der zürnenden
sowohl als auch der gnäg’gen;
Wer Schulden
macht, der soll sie auch bezahlen. –
O thöricht Volk,
zu lenken an der Leine
Mit einem Wort!
Real! Es macht mich lachen:
Was ihr real
nennt, ist nur das Gemeine.
Zwar ohne Holz
läßt sich kein Feu’r entfachen;
Doch wächst die
Blume nur im Sonnenscheine,
Dem himmlischen,
den nie ein Mensch kann machen.
3.
Phantasten hör’
ich rings und Thoren schelten,
Die noch am
Traumbild beßrer Tage hangen,
Trotz aller
Täuschungen, die uns gleich Schlangen
Mit eklem Gift der
Zukunft Wein vergällten.
Und dennoch laß
nicht völlig dich erkälten,
Heißblütig Herz!
Sieh dort die Sterne prangen:
Du kannst sie auch
dir nicht herunterlangen,
Und dennoch weißt
und glaubst du, daß es Welten.
Nacht folgt dem
Tage, Regenwolken nässen
Die junge Saat,
Gewitterstürme wehen;
Die Sonne aber
wandelt fort indessen.
So kann es auch
den Menschen wohl geschehen,
Daß sie der
wahrheit ein’ge Zeit vergessen;
Doch bleibt sie
selbst nicht minder drum bestehen.